Begriffsdefinition
Anwendungsfelder
Lernwirksamkeit
      Vorteile einer dualcodalen Präsentationstechnik
      Dual-Code-Theorie von Paivio
Multimediale Lern- und Unterrichtsformen
      Fernunterricht
      Virtuelle Universitäten

Multimedia

Begriffsdefinition

1995 wählte die Gesellschaft für deutsche Sprache „Multimedia" (lateinisch Multi: viel; Medium: allgemein Mittel, insbesondere Mittel zur Weitergabe oder Verbreitung von Informationen durch Sprache, Gestik, Mimik, Schrift und Bild) zum Wort des Jahres und zeigte damit die Bedeutung dieses Begriffes in der heutigen Informationsgesellschaft auf.

Unter Multimedia wird populärwissenschaftlich ein System verstanden, das neben Text und Graphik mindestens ein dynamisches Medium wie Animation, Video, gesprochene Sprache oder Geräusche enthält - also verschiedener Mediantypen in zeitlicher, inhaltlicher und räumlicher Art integriert (vgl: Hasebrook)

Um eine wissenschaftliche Analyse durchführen zu können, muss der Begiff Multimedia jedoch differenzierter betrachtet werden. Weidenmann schlägt eine Definition vor, die Multimedia als multimediale, multicodale und multimodale Angebote beschreibt:

Teilweise wird mit dem Begriff Multimedia auch die Möglichkeit des nichtlinearen Konsums von Information assoziiert, was eine Interaktion mit dem System voraussetzt.

Multimediale Inhalte können nach verschiedenen Ausprägungen der Codierung kategorisiert werden. Eine einfache, verständliche Systematik ergibt sich bei einer Aufteilung nach der Modaliät und der Stabilität wie es Paechter vorgeschlagen hat.


Abbildung 1: Bestandteile von Multimedia, aufgeteilt in zwei Ausprägungen der Codierung, der Modalität und der Stabilität


Anwendungsfelder

Marktanalysen prognostizieren im Bereich der Multimedia-Systeme für die kommenden Jahre ein immenses Wachstum. Den Verwendungsmöglichkeiten multimedialer Applikationen sind dabei kaum Grenzen gesetzt. Sie erstrecken sich über viele Bereiche des täglichen Lebens. Im einzelnen können folgende Anwendungsfelder, nach ihrem Marktanteil sortiert, unterschieden werden:

Der weitaus größte Marktanteil von Multimedia-Applikationen wird im Gebiet der elektronischen Spiele (Abenteuerspiele, Simulationsspiele, Wissensspiele) gefolgt von Anwendungen der Kommunikation (Bildtelephonie, Computer-Supported-Cooperative-Work)  erwartet.

Auch das Computer-Based-Training (CBT), sowohl in der schulischen als auch in der betrieblichen Ausbildung, wird durch die Integration multimedialer Technologien stark an Bedeutung gewinnen. Genauso wie der Unterhaltungsbereich ist auch der Bereich des CBT durch eine hohe Interaktivität der Anwendungen gekennzeichnet.

Das aus betriebswirtschaftlicher Sicht letzte bedeutende Anwendungsfeld für Multimedia ist die Werbung und sogenannte Kiosk-Systeme, auch Point-of-Informationen/Point-of-Sale-Stationen (POI/POS-Stationen) genannt.


Lernwirksamkeit

Multimedia-Enthusiasten vertreten oftmals die naive Meinung, dass Multimedia dadurch, dass es mehrere Sinneskanäle anspricht die Lerneffektivität verbessern muss. „Zwar forderte schon Comenius, mit allen Sinnen zu lernen, damit sich alles leichter einpräge. Aber in der modernen Lernforschung ist es durchaus umstritten, ob die Informations-Präsentation in mehreren Sinnesmodalitäten notwendigerweise effektiver ist als die Präsentation in einer einzigen Sinnesmodalität".

Diverse neuere Untersuchungen kamen zu dem Resultat, das sich multimediale Lernhilfen eher für die Vermittlung von Faktenwissen und elaborierenden Aufgaben eignen und zudem zu einem motivierterem, rascherem und besserem Lernen führen.

Multimedia kann jedoch nicht die Begegnung des Lernenden mit der Wirklichkeit ersetzen. Soziale Interaktionen, wie sie in einer Diskussion vorkommen, kritisches Hinterfragen, spontane Fragen oder eine emotionale Verarbeitung kann Multimedia nicht übernehmen. Zudem bleibt die Verarbeitung von Informationen meist oberflächlicher als mit klassischen Lernmethoden.

Der Erwerb von Wissen wird trotz Multimedia auch weiterhin mit Mühe und Arbeit verbunden sein. Lernen ist bei jedem Schüler ein individueller, entdeckender, kreativer Prozess, der an bereits Bekanntem anknüpft. Die neuen Medien fördern eigenaktive Tätigkeiten wie z.B. das Lesen, Stöbern, Schreiben, Anordnen, Strukturieren, Umgestalten, Modellieren und Simulieren. Der Lernerfolg von Multimedia-Systemen ist letztendlich vom inhaltlichen Aufbau, von der didaktisch-methodisch sinnvollen Darstellung und von der Berücksichtigung des Lernenden abhängig.

Vorteile einer dualcodalen Präsentationstechnik

Verbale und bildhafte Informationen werden im Gehirn von unterschiedlichen Regionen des Kortex verarbeitet. Auf diesen Schluss kamen Roland und Friberg, welche in ihren Forschungen den Unterschied zwischen verbaler und bildhafter Repräsentationen untersuchten. Dabei wurde die Durchblutung im Gehirn von Probanden gemessen, die während einem Versuch entweder in Gedanken einen Merkvers aufsagen oder sich gedanklich den Weg, der zu Ihrem Haus führt, vorstellen sollten. Der Versuch basierte auf der Annahme, dass diejenigen Gehirnregionen, die während einer bestimmten Tätigkeit besonders stark durchblutet werden, auch in besonderem Masse daran beteiligt sind.

Schon vor diesen Versuchen von Roland und Friberg stellten Paivio und später Engelkamp die Dual-Code-Theorie bzw. die mutimodale Gedächtnistheorie auf, beide basierend auf hirnphysiologischen Befunden, wobei die multimodale Gedächtnistheorie teilweise als Kritik an Paivios Theorie zu sehen ist.

Die Dual-Code-Theorie von Paivio

Bei der Dual-Code-Theorie von Paivio handelt es sich um ein Gedächtnismodell der Kognitionspsychologie, welches anschaulich illustriert, wie der positive Lerneffekt bei einer gleichzeitigen Repräsentation von beispielsweise Sprache und Bild zu erklären ist.

Die Idee der Dual-Code Theorie besteht darin, dass es in unserem Grosshirn zwei unterschiedlich spezialisierte mentale Systeme gibt ; einerseits das verbale System, welches für die Verarbeitung und Speicherung linguististischer Informationen zuständig ist und andererseits ein non-verbales System, das für den Umgang mit Bildern, einschliesslich bildhafter Vorstellungen verantwortlich ist.


Abbildung 1: Schema der Dual-Code-Theorie von Paivio

Zur verbalen Codierung gehören Text und Sprache und zur non-verbalen Codierung gehören Standbild, Bewegtbild (Video und Computeranimationen) sowie Sound. Diese Stimuli gelangen via das sensorische System in unserm Gehirn und werden dort in Wort- oder Bildmarken abgelegt.

Die Kernaussage dieser Theorie ist ein resultierender Gedächtnisvorteil, wenn Informationen gleichzeitig sowohl verbal als auch non-verbal repräsentiert und gespeichert werden. Dies erklärt Paivio damit, dass beide Systeme zwar unabhängig voneinander arbeiten, aber zwischen dem verbalen und dem non-verbalen System Verbindungen existieren, die gegebenenfalls aktiviert werden und es zu einer zweifachen kognitiven  

Repräsentation kommt – also zu einer dualen Codierung. Durch diese doppelte Codierung kann daraus gemäss Paivio eine höhere Behaltensleisung bzw. Lerneffekt resultieren. Für Designer von Computer-Aided-Learning-Systems (CAL-Systeme), ergeben sich daraus eindeutige Verhaltensvorschriften durch das Heranziehen von gleichzeitig verbalen und non-verbalen Repräsentationen von Informationen.

Engelkamp kritisierte die fehlende Mehr-Speicher-Konzeption in Paivios Theorie, die sowohl die Verarbeitung als auch die Speicherung von Wissen in dem verbalen bzw. non-verbalen System postuliert. Eine solche Konzeption könnte beispielsweise den Einfluss bei Aktivierung von Vorwissen erklären. Von Engelkamp wird auch der fehlende Ansatz bezüglich der Verarbeitungstiefe kritisiert. Dadurch wird es z.B. möglich, die Auswirkungen unterschiedlicher Lernintensitäten beim Wissenserwerb zu analysieren und diesbezüglich über die Möglichkeit einer differenzierteren Betrachtung zu verfügen. In der multimodalen Gedächtnistheorie versucht Engelkamp, einem solchen Anspruch gerecht zu werden. In den Grundpfeilern jedoch unterscheidet sich die Theorie von Engelkamp nicht gross  von derjenigen von Paivio, worauf auf die multimodale Gedächtnistheorie an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden soll. Vielmehr soll an dieser Stelle ein Experiment von Kaiser dargelegt werden, welcher die verschieden Codierungskombinationen von Text, Sprache und Standbild an einer Gruppe von jungen Schülern getestet hat.

Experiment zur Kombination von Text, Standbild und Sprache

In diesem Experiment wurden Probanden aufgefordert, ein durch das CAL-System dargestelltes Prinzip so gut wie möglich zu verstehen bzw. zu lernen. Dabei wurde das Thema durch eine der 7 möglichen Codierungskombinationen ( monocodal: Text, Standbild, Sprache; duocodal: Text-Sprache, Text-Standbild, Standbild-Sprache; multicodal: Text-Sprache-Standbild) repräsentiert. Für jedes Thema wurden genau drei Fragen konstruiert, die sich wie folgt unterschieden: die erste Frage war eine visuelle Frage, die die Lernleistung des visuellen Gedächtnisses der Probanden überprüfte. Die zweite Frage prüfte die Behaltensleistung der Probanden, wobei die Aufgabe darin bestand, sich an einzelne Gegebenheiten der Repräsentation zu errinnern. Die dritte Frage war eine Verständnisfrage, die das Verständnis des vorgestellten Prinzips abfragte.

Die Resultate zeigten, dass die Probanden bei allen drei Fragen besser abschnitten, wenn sie zum Text oder Standbild mit der Sprache, also mündlich unterstützt wurden.


Abbildung 2: Lernleistung in Prozent


Abbildung 3: Mittelwerte der Totalpunktzahl aller Fragen, gruppiert nach Repräsentationstyp

Somit kann gesagt werden, dass durch die Sprache bei der Betrachtung eines Standbildes die Aufmerksamkeit der Probanden erhöht wird, woraus eine höhere mentale Anstrengung resultiert und demzufolge das Standbild intensiver verarbeitet wird. Bei der duocodalen Repräsentation von Sprache-Standbild werden beide Systeme (verbal und non-verbal) aktiviert, was in einer höhere Lernleistung im Vergleich zur monocodalen Repräsentation oder zur duocodalen Repräsentation ohne Sprache mit sich bringt. Die Wichtigkeit der Sprache mit ihrer Eigenschaft der Aufmerksamkeitssteuerung wird daraus ersichtlich und sollte dazu führen, die Sprache unbedingt als wichtiges Element in CAL-Systemen unterzubringen. Das Sound eine wichtige Rolle in Computersystemen spielen kann, zeigt der nachfolgende Absatz, in dem Audio als eine Hilfestellung in Computersystemen für Sehbehinderte eingesetzt wird.


Multimediale Lern- und Unterrichtsformen

Fernunterricht

Herkömmlicher Fernunterricht per Radio und Fernsehen wird bei uns bereits seit längerer Zeit angeboten. Beim Schulfernsehen oder insbesondere beim Telekolleg können Interessierte neben ihrem täglichen Beruf mittels Fernsehgerät und Videorecorder Schulabschlüsse wie z.B. die Fachhochschulreife in ihren eigenen vier Wänden erwerben.

Ein Vorteil des Fernunterrichts ist, dass Lehrer und Schüler nicht an einen Ort oder an eine Zeit gebunden sind. Sie können ihre Zeit flexibel einteilen und gestalten. Es besteht zudem die Möglichkeit, besonders viele Lernende zu erreichen und diese in kurzer Zeit zu aktuellen Themen ‘just in time’ zu schulen.

Jedoch hat diese Wissensvermittlungsmethode den großen Nachteil, dass die Wissensaufnahme nur rezeptiv erfolgt und direkte Fragen und Unklarheiten zum Thema nicht sofort an die Lehrperson gestellt werden können. Fernunterricht in Verbindung mit dem Computer hingegen kann diese einseitige Wissensaufnahme, wie wir sie bisher kannten, kompensieren.

An diversen Institutionen wird der computerbasierte Fernunterricht bereits mit Erfolg eingesetzt. Die grosse Befürchtung, dass Fernunterricht zur sozialen Isolation der Schüler führen könnte konnte zudem widerlegt werden, da diese Art des Lernens meist nur zehn bis fünfzehn Prozent des Gesamtunterrichts einnimmt.

Virtuelle Universitäten

Bisher wurde das World Wide Web meist als eine Ergänzung zum Direktstudium angesehen, dessen Einsatz dem Recherchieren, Auswählen und Verarbeiten von Informationen diente.

Virtuelle Universitäten betrachten das Internet jedoch als eine vollwertige Lernplattform und bedienen sich dessen Infrastruktur (Repräsentations- und Übertragungsmedium), profitieren von dessen grosser Verbreitung, den standardisierten Protokollen und der einfachen Bedienung.

Durch den Wegfall bzw. der Reduktion der Anfahrtswege, der Unterrichträume, des Organisationsaufwands und des Lernpersonals können bei den Universitäten bedeutende finanzielle Ressourcen eingespart werden.

Aber auch für den Studenten kann diese neue Form den Lernens durchaus Vorteile mit sich bringen: Er kann seine Zeit flexibler gestalten und einteilen. Zudem verkürzt das Studieren ohne Hörsaal und Dozent die Studienzeiten.

Im deutschsprachigen Raum gibt es bereits mehrere virtuelle Universitäten, an denen Studenten mit dem Internet ihr Studium absolvieren können.